Wunderbar unperfekt – Body Positivity und die Sache mit der Selbstliebe
Body Positivity scheint aktuell in aller Munde – doch was genau steckt eigentlich dahinter?
Die Recherche liefert diese Definition: „Die Bewegung setzt sich für die Abschaffung unrealistischer und diskriminierender Schönheitsideale ein.“ Doch hat die Idee eine Chance? Kann Body Positivity mehr sein, als ein Trend-Hashtag? Fest steht: Stimmen, die sich für Diversität und Selbstliebe einsetzen, werden immer lauter. „Body Positivity“ ist der Begriff der Stunde und wir bei chakrana – so viel will ich vorwegnehmen – feiern ihn!
Sicher ist das Streben nach Selbstakzeptanz nicht neu. Jede Dekade hat ihre Helden, die Narben, Zahnlücken und Anderssein bejahen. Doch wie soll man dem Perfektionsstreben widerstehen, wenn scheinbar alles möglich ist?
Treatments, Kapseln und Kuren versprechen ein erneuertes Selbst. Personal-Trainer coachen uns zum Traumkörper, wenn wir nur gewillt sind, hart zu arbeiten. Wer keinen Knackpo vorweisen kann, hat nicht genug Einsatz gezeigt. Aber stimmt das? Was ist genug? Wo beginnt das authentische Sein und wo hört das vorübergehende Formtief und die Eigenverantwortung für die Überwindung schlechter Angewohnheiten auf?
Teuer zu stehen kommt uns die Körperoptimierung, wenn vermeintliche Schwachpunkte nur von der Einkaufsliste übertroffen werden. Fältchen, Leberflecken, Poren, Adern, Dellen: Allein die Haut bietet in ihrem Erscheinungsbild eine so unerschöpfliche Vielfalt von Prädikaten, dass ein Drittel der 30 bis 59-jährigen Frauen in Deutschland zwischen 30 und 50 Pflegeprodukte im Bad parat haben. Bei einem Fünftel sind es sogar 51-100 Produkte.
Die VertreterInnen der Body Positivity-Bewegung fragen deshalb: Ist eine stoppelige Achsel wirklich ein To Do? Können wir unsere Ansichten vielleicht umprogrammieren – und so nebenbei eine Menge Geld, CO2 und Verpackung sparen? Besonders schön fanden wir in diesem Zuge zum Beispiel die Bilder von mit Gold und Glitzer nachgezogenen Dehnungsstreifen, die in den Sozialen Kanälen und besonders auf Instagram präsent waren. Es entstand der mit der Body Positivity verwandte Hashtag Skin Positivity und eine neue Ästhetik, die sich gegen die überretuschierten Darstellungen von Haut in den Medien wendet.
Was die Bewegung auch zeigen will: Modeindustrie und Werbung terrorisieren uns mit konstruierten Körpern, deren Kleidergröße statistisch eine absolute Minderheit ist. Nur 3% der deutschen Frauen tragen eine Konfektionsgröße, die unter einer 36 liegt. Körperfett als Baustelle und Size 0 als normal darzustellen, ist also total sinnbefreit. Aus diesem Kontext entstand ein weiterer Schwester-Begriff: Bodynormality. Das Schlagwort steht für einen realistischen und wertfreien Blick auf uns selbst, schließlich sind die meisten Kritikpunkte an unseren Körpern unabänderlich.
Alter, Hautfarbe oder die Spuren der Mutterschaft sind in geringem Maßen oder gar nicht beeinflussbar. Warum sich ein Leben lang daran abarbeiten und das Leben auf den Tag zu vertagen, wenn endlich alle Baustellen beseitigt sind?
Body Positivity bestärkt uns darin, nicht mehr zu verbessern, was nicht verbessert werden muss. Wir müssen dem Narrativ, das uns selbst verleumdet, nicht mehr folgen. Body Positivity heißt für uns, dass wir bestehende Bilder, die ganz automatisch in unseren Köpfen auftauchen, hinterfragen. Ist das ein Frauenbild, das Männern gefällt? Ist das mein Blick auf Frauenkörper?
Mein Körper ist nicht falsch oder mangelhaft. Unsere Körper sind nicht für Kampagnen gemacht und auch nicht für die Nahaufnahme im Umkleidekabinenlicht. Body Positivity lädt uns ein, einfach mal zu chillen und unserem Körper Danke zu sagen.
Die Influencerin Melody Michelberger hat das mit poetischen Selfies eingefangen: Auf nackter Haut hat sie ihren Körper beschriftet. „More than a body“ lesen wir. Oder „Gives hugs“ auf ihrem Arm, „loves“ auf ihrem Herzen und „Nurtures“ auf dem Bauch. Sie fragt: „Warum danken wir nicht täglich unseren Herzen fürs unermüdliche Schlagen, fürs Lieben, fürs Pumpen in jeder einzelnen Sekunde unseres Daseins? Warum danken wir nicht unseren Armen, dass sie umarmen, halten, heben, tragen und noch so viel mehr können?“
Diese Aussagen haben uns inspiriert und zum Nachdenken angeregt. Dazu, unseren Körper und unser Sein einfach so zu akzeptieren, wie er ist.